Mittwoch, 14. November 2012

Den Atlas in den Beinen 21.10 – 31.10.2012


Das schlechte Wetter, dass uns nun seid drei Tagen aufhält, ist vorbei. Die Sonne lacht uns ins Gesicht und läst die schneebedeckten Berge kitschig glitzern, als wir aus Tounfite herausfahren. Freudig trampen wir durch die Hügelige Landschaft und fahren dann, dem Fluss entlang durch eine Schlucht. Das Wasser der letzten Tage hat seine Spuren hinterlassen, hier und da einen Erdrutsch, mal ein bisschen, mal mehr Wasser auf der Strasse. Obwohl welche Strasse?


Aller Anstrengung zum Trotz, die Landschaft ist Grossartig wir geniessen es. In den kleineren Dörfer werden die Kinder aggressiver und es kommt auch vor, dass sie uns Steine nachwerfen wenn wir nicht auf ihre Bitten um Geld oder Stylo eingehen. Sie springen uns hinten rauf, ziehen an den Taschen und klauen Conny’s Schweizerfahne und unsere Wassersäcke! Letzteres trifft uns sehr! Die niedlichen Kinder – wir mögen sie nicht.


Das Leben hier in den Bergen ist hart und wild. Bauern haben grüne Felder die von Hand bearbeitet werden, jedoch im Winter nicht bewirtschaftet werden können. Die durchschnittlich 10 Kinder pro Familie müssen bei der Arbeit mithelfen, damit es genügend Essen für alle gibt. Viele der Kinder gehen sobald sie älter sind in die Stadt und versuchen durch allerlei kleine Arbeiten etwas Geld zu verdienen. Wir campen etwas abseits der Strasse hinter einem Hügel. Bis Imilchil, dem nächst grösseren Ort sind wir zwei Tage unterwegs. Es geht hoch auf 2276 MüM und wieder runter auf 1823, da wo Wasser fliesst ist es super grün, die Birken leuchten in ihrem herbstlichen gelb und die Erde ist ocker bis rot in schönen Mustern.


Wieder hoch auf 2409 MüM wachsen Büsche mit stachligen Blättern, im Hintergrund die Schneebedeckten Berge umrahmt von azur blauem Himmel. Auf all die Passhöhen folgen rasante Abfahrten zurück in die bewirtschafteten Täler, zurück zu den Lehmhäuser Dörfer die von weitem kaum auszumachen sind. Unterwegs treffen wir noch auf zwei Spanische Velotouristen, sie sind für 3 Wochen vorwiegend im Atlas unterwegs.



Imilchil liegt im Herzen des Hohen Atlas zwischen zwei kleinen Seeen Tislit und Isli, was soviel heisst wie Braut und Bräutigam. Hier wird im Sommer viel geheiratet. Nach acht Tagen Velofahren machen wir hier einen Tag Pause. Da ausserhalb der Saison, sind wir die einzigen Gäste im Hotel von Mohammed und er hat alle Zeit mit Peter über Gott und die Sonne zu reden. Er hat zwar ein Hotel hier, ist aber hauptsächlich mit Solarenergieprojekten beschäftigt. Sein Büro ist in Marrakech. Momentan liegt ein Programm bei der Regierung vor, bei welchem er grosse Hoffnung hat weiter zu kommen. Während dem Gespräch bietet er Peter selbst einen Job an, darüber wird Peter noch lange nachdenken. Am Abend essen wir zusammen mit Mohammed seine herrliche Hühner Tajin und reden noch lange, bis uns fast die Augen zufallen. Tags darauf fährt Mohammed zu seiner Familie nach Marrakech, er muss seiner Frau ein Schaf bringen denn die nächsten drei Tage ist Fest in ganz Marokko. Jeder Mann schenkt seine Frau ein Schaf, am ersten Tag wir es getötet und gefeiert, am zweiten wird gefeiert und am dritten wird das Schaf gegessen und gefeiert. Diese Tradition bringt die ganze Familie zusammen, egal wie weit sie von einander weg sind. Läden und Restaurant schliessen für mehrere Tage, nicht sehr ideal für uns zwei. Nach diesem Ruhetag nehmen wir den letzten grossen Pass vor der Dadés Schlucht in angriff. Aber zuerst noch einen gemütlichen Tag nach Agoudal. Am Mittag kochen wir Spaghetti Al-arabiata, darauf hatten wir schon lange grosse Lust. Auch in Agoudal quartieren wir uns in eine authentische Herberge ein. Auf diesen Höhen, 2400 MüM, wird es schon ziemlich Kalt und wir brauchen noch etwas Ruhe vor dem Sturm.


Wir steigen früh in die Pedalen und verlassen das Dorf am Tag des Festes richtung Berge. Heutiges Ziel den Pass auf 2917 MüM zu bezwingen. Das Wetter ist wunderschön, doch der Schein trügt. Ein Wind weht uns direkt ins Gesicht. Zuerst nehmen wir es gelassen und trampen tapfer auf der Piste durch die atemberaubende Landschaft. Doch die stetig steigende Strasse und der stetig stärkere Gegenwind, lässt uns kaum vorankommen. Mit 4 Km/h kämpfen wir uns vorwärts. Manchmal müssen wir das Velo stossen obwohl die Strasse nicht zu steil zum fahren wäre. Auch wenn wir stillstehen pustet uns der Wind fast um. Wir werden auf die Probe gestellt, unsere Kraft und unser Geist werden aufs härteste getestet. Jeder kämpft im Stillen für und mit sich alleine. Dann plötzlich sind wir oben und eine Aussicht empfängt uns und lässt uns zu Boden sinken. Wir sitzen ruhig und geniessen das Panorama, das aufgrund der Anstrengung noch magischer auf uns wirkt.



Von nun an dürfen wir 15 Km runter fahren. Zuerst langsam dem Hang entlang, dann im Zick Zack zum Tal hinunter. Unterwegs begegnen wir einer Gruppe Steinböcken, Peter packt seine Kamera und schleicht sich etwas näher. Noch immer bläst der starke Wind, und obwohl die Sonne scheint ist es kalt. Dieser Abenteuerliche Tag wird in die Geschichte eingehen und endet in der Herberge eines Berber Bergbauern im Dörflein Tilmi. 


Nach Tilmi erleben wir die Sedimentablagerungen die diese Landschaft prägt von unten. Wir folgen dem Fluss Dadés und sehen ihn mal von ganz nah, dann wieder von etwas höher. Bis wir zur dieser Bekannten Schlucht des Dadés kommen. Voilà


Ca. 200 m lang ist diese Verengung dann ist der Spuck auch wieder vorbei. Warum deswegen so ein Hipe darum gemacht wird, können wir nicht verstehen. Der Weg hierhin war viel spektakulärer. Etwas weiter erblicken wir die ersten Kasbahs (Herrenhäuser Burgähnlich mit vier Türmen) Und noch etwas weiter tauchen spektakuläre Felsformationen auf. Völlig Unterschiedlich zum bekannten Bild ragen runde, Boulder ähnliche Felsen hervor. Ein kurzes Backflash nach Neuseeland zu den Moeraki Boulders erscheint vor unseren Augen. Wie in Gottes Namen sind die wohl entstanden??? Wir lieben die Natur!


Es sind nur noch wenige Km bis Boumane du Dadés, die Provinzhauptstadt. Obwohl schon lange unterwegs, pedalen wir weiter. Bis jetzt haben wir vom Schaffest nicht viel mitbekommen, nur die schön angezogenen Leute überall in den Dörfern fielen auf. Doch jetzt wird es prekär, ein einziges Restaurant hat geöffnet und es ist sogleich auch eines der zwei einzigen Hotels im Städtchen, also nehmen wir hier ein Zimmer. Das Angebot fürs Nachtessen beschränkt sich auch auf Omeletten oder Tajin, that’s it. Am morgen ist das Kaffee noch nicht offen, also gehen wir auf die Dachterrasse und kochen uns den Kaffee halt selber. Als der Kaffee getrunken ist, bewegt sich unten auch was und wir können Frühstück essen. Von Boumane nach Ouarzazate ist es plus minus 100 Km auf der Fläche. Den Atlas haben wir nun hinter uns gelassen. Die Landschaft wird wieder monotoner, leicht hügelig, jedoch nun mit Palmen die uns andeuten der Wüste näher zu kommen, und der Verkehr hat auch zugenommen. Das Wetter ist durchzogen. Das zweite und letzte Camp für eine Weile finden wir am Ufer vom Stausee einige Km vor Ouarzazat.


Als erstes telefonieren wir mit Verena, Sie ist eine Freundin von der Mutter einer Kollegin von Conny, zu welcher wir Post aus der Schweiz schicken lassen durften. Drausgekommen? Egal, jedenfalls ist Verena eine Thunerin und wohnt 16 Km vor Marrakech. Da lassen wir uns am nächsten Tag mit dem Bus hinfahren. Wir kaufen die Busstickets, nehmen ein Hotelzimmer und füllen unsere hungrigen Bäuche mit Marokkanischer Pizza. Mal was anderes. Dann besichtigen wir die Stadt ein wenig bis es dunkel wird.


Der Bus fährt um 9h und wir werden um 8.30h für Gepäckannahme erwartet. Eigentlich wollten wir um 7h aufstehen, aber weil Conny nicht an die Schweizer Zeit (bei Sommerzeit +2h zur Marokkanischer Zeit) auf ihrem Händy - unserem Wecker gedacht hat, stehen wir um 5.20h ausserhalb vom Hotel und fragen uns erstaunt warum es noch dunkel ist!!!! Wir beschliessen einen Kaffe auf dem leeren Marktplatz zu kochen und warten bis die Sonne aufgeht. Unter Aufsicht von Peter’s kontrollierenden Augen werden die Räder im Bus verstaut. Mit 30 min Verspätung fahren wir los. Die Strecke führt noch einmal über den Hohen Atlas, nicht mehr ganz so hoch wie auch schon, aber wir sind froh werden wir dieses Mal gefahren. Das Wetter ist nicht sehr gut, es ist nass und immer wieder regnet es. Für was der Bus in 4h macht, bräuchten wir sicherlich 5-7 Tage. In Chouiter lässt uns der Chauffeur aussteigen und wir melden Verena, dass wir angekommen sind.


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